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Vorstand vor Ort - Betriebsbesuche in Ostprignitz-Ruppin„Wir müssen optimistisch bleiben!“

Es gleicht einem Tanz, wenn mehrere Dutzend Fensterrahmen wie von selbst durch die Halle schweben – ohne sich zu berühren und doch einer gewissen Ordnung folgend, ziehen sie ihre Bahn bis zum Lackierroboter und an ihm vorbei. Der arbeitet in der Köhler Fenster- und Türenbau GmbH – wenn nötig sogar 24 Stunden am Stück. Hier in Wittstock begrüßt Firmenchef und Tischlermeister Lars Köhler den Präsidenten Robert Wüst zu einem Rundgang durch seinen Betrieb. Im Oktober steht für ihn und seine Mannschaft das 30. Betriebsjubiläum im Kalender. „Aber so unsicher wie jetzt war die Lage noch nie“, gibt er unumwunden zu. „Die Auftragseingänge sind schlecht. 36 Mitarbeiter, die in zwei Schichten arbeiten, müssen bezahlt werden.“ Mit der Beschäftigtenzahl ist der Betrieb einer der „Großen“ in der Region.



Unsicherheit nach der Wahl

Rund 1.500 Handwerksbetriebe sorgen in der eher ländlich geprägten Region Ostprignitz-Ruppin dafür, dass es läuft. Das sind 8,5 Prozent aller im Kammerbezirk registrierten Unternehmen. 52 Tischlereien sind darunter.  Köhler ist stolz auf das, was er mit seiner Familie geschaffen hat. Ehefrau Jacqueline hält im Verkauf und Vertrieb die Fäden zusammen und sieht die Lage zuversichtlich. Großaufträge stünden ins Haus. „Wir müssen einfach optimistisch bleiben“, sagt sie mit Blick auf die Nachfolgegeneration und angesichts der aktuellen Unsicherheit, denn die Besuche finden unmittelbar nach der Bundestagswahl statt. Zwei erwachsene Töchter schicken sich an, in einigen Jahren die Nachfolge der Eltern anzutreten.

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v.l.n.r.: Robert Wüst; Firmenchef und Tischlermeister Lars Köhler mit Ehefrau Jacqueline und Tochter Johanna

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Flexible Planung

Optimismus verbreitet auch Diplom-Augenoptikerin und Hörgeräteakustikermeisterin Annett Schulz beim Besuch von Vorstandsmitglied Brita Grasenack und Hauptgeschäftsführer Ralph Bührig in ihrem Kyritzer Geschäft „Augenblicke Hören & Sehen“. An drei Standorten arbeiten insgesamt 20 Angestellte – darunter fünf Azubis. Die engagierte Unternehmerin, in deren Betrieb auch Ehemann Michael aktiv ist, – sorgt dafür, dass die Mitarbeiterinnen durch die Filialen rotieren. „Das stärkt den Zusammenhalt und ermöglicht uns auch flexiblere Planung“, erklärt die Chefin, die den Betrieb vollständig digitalisiert und ihre Mitarbeiter auch entsprechend geschult hat. Neben ihrer Arbeit und der Ausbildung sind beide Eheleute ehrenamtlich im örtlichen Gewerbeverein, in den Innungen und im Meisterprüfungsausschuss engagiert. „Wir wollen hier auch etwas zurückgeben“, sagen beide.

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Augenoptik und Hörgerate Hören + Sehen v.l.n.r.: Michael Schulz, Vorstandsmitglied der HWK Potsdam Brita Grasenack , Diplom-Augenoptikerin und Hörgeräteakustikermeisterin Annett Schulz, Hauptgeschäftsführer der Handwerkskammer Potsdam Ralph Bührig







Starker Unternehmergeist

Dieses Credo verfolgt auch Kfz-Meister Daniel Hildebrand, der gemeinsam mit Marco Fedchenheuer die Autohaus Wernicke GmbH in Alt Ruppin führt. Er engagiert sich als stellvertretender Obermeister in seiner Innung und ist um den Fachkräftenachwuchs besorgt. „Unsere Handwerksbetriebe in der Region müssen die Möglichkeiten der Lehrlingswerbung noch besser nutzen und auf Messen für die Ausbildungschancen im Handwerk werben.“ Er war mit anderen Obermeistern auch beim gemeinsamen Auswertungsgespräch in der Kreishandwerkerschaft dabei. Hier bedankte sich Handwerkskammerpräsident für die Gastfreundschaft und lobte die Innovationskraft der Handwerksbetriebe in der Region. „Die Betriebe, die wir heute kennenlernen durften, sind beispielhaft für den starken Unternehmergeist und die besondere Innovationskraft in Ihrer Region.

Von besonderem Innovationsgeist ist auch die Secfire GmbH von Elektrotechnikermeister Christian Michalski in Wittstock geprägt. Er realisiert in der Region in der Hauptstadt und international maßgeschneiderte Sicherheitskonzepte. „Unsere Kunden arbeiten international und erwarten auch von uns konkurrenzfähige Lösungen“, sagt der engagierte Brandenburger, der durch die Familie nach Wittstock kam. Problematisch sei für ihn das Schneckentempo in der digitalen Transformation in Deutschland. „Hier werden Innovationen ausgebremst. Das können wir uns im internationalen Wettbewerb einfach nicht leisten“, blickt er auch mit Sorge auf das seit Monaten andauernde politische Vakuum. Sieben Techniker und drei Kollegen im Wittstocker Büro gehören zu seinem Team. Darunter ist auch ein Ingenieur aus dem Libanon. „Ich würde gern mehr Leute einstellen. Die Aufträge sind da. Aber bei vielen aus der Region bemerke ich fehlende Flexibilität. Es darf nicht zu viel sein mal ein paar Tage in Berlin oder in Süddeutschland zu arbeiten, wenn alle Wegzeiten von mir bezahlt werden.“ Sagt er und bricht ein paar Tage später nach Las Vegas zu einer Messe auf.

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Elektrotechnikermeister Christian Michalski von der Secfire GmbH in Wittstock, Präsident der Handwerkskammer Potsdam Robert Wüst

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Austausch zu Fachthemen

Weit reisen muss Friseurmeisterin Uta Hegermann nicht. In ihren modernen Salon „Chic und frech“ in Walsleben kommt die Kundschaft gern. Mit Brita Grasenack, die in Brandenburg (Havel) ebenfalls einen Friseurbetrieb leitet, konnte sie sich nicht nur zu aktuellen Trends der Branche, sondern auch zu Themen wie Preisgestaltung und Azubigewinnung besprechen. Derzeit hat Hegermann, die selbst auch regelmäßig ausbildet, noch eine weiter Kollegin im Salonteam.

Gute Ideen der Azubi-Gewinnung werden von der B+S Landtechnik GmbH schon heute praktiziert. Mit engen Kontakten zu den Schulen in der Region um Neustadt (Dosse) bringe man sich bei den jungen Leuten auf den Radar, erklärt Geschäftsführer Alexander Bruns. Sei ein geeigneter und interessierter Kandidat dabei, werde der auch mal für ein Praktikum während der Schulzeit freigestellt. „Die jungen Leute finden das super und wir können schnell feststellen, ob jemand zu uns passt.“ Das Praktikum bleibe einfach ein wichtiges Instrument für die Berufswahl im Handwerk, bestätigt in dem Zusammenhang auch Karsten Kirchhoff bei seinem Besuch in dem Betrieb. Deshalb mache sich auch die Handwerkskammer weiterhin für die Praktikumsprämie für Schülerinnen und Schüler stark. Denn auch die Landtechnik, die in dem Unternehmen an drei Standorten in drei Bundesländern verkauft und gewartet werde, braucht Experten. Gleichwohl herrsche kein Personalmangel in dem Betrieb, der insgesamt 82 Mitarbeiter hat.

 

Tradition und Zukunft

Vier Mitstreiter hat Büchsenmachermeister Stephan Engel in Neuruppin: seine Frau Maria, zwei Kollegen und einen Azubi. Zu ihm in die Werkstatt mit dem kleinem Geschäft kommen Jägerinnen und Jäger – teilweise aus allen Teilen des Landes. Der Standort ist unter Kennern schon seit Jahrzehnten bekannt. Denn hier gab es schon zu DDR-Zeiten einen Waffenservice – organisiert durch die einstige PGH – eine Genossenschaft von Handwerksbetrieben. Auch Vater Engel hatte daran seinen Anteil. Von ihm übernahm Stephan Engel 2022 den Betrieb. „Der gute Ruf ist uns wichtig. Wir sind rundum zufrieden mit der Auftragslage“, sagt er, während er besondere Exemplare aus dem Schrank holt. Darunter sein Meisterstück ein Gewehr vollkommen in Handarbeit hergestellt oder das Gewehr eines russischen Oligarchen, das er in einer Zwangsversteigerung sicherte. „Unsere Kundschaft verlässt sich auf unsere Expertiese. Wir reparierten und bereiten die Waffen auch für die Jagd vor.“ Einschießen nennen das die Fachleute. Dafür hat Engel einen unterirdischen Schießstand in der Nähe. Alles streng kontrolliert. „Auch wenn viele über die Kontrollen stöhnen. Hier sind sie richtig und wichtig“, sagt Engel. Robert Wüst bedankte sich auch bei Engel als Ausbilder. „Sie sorgen dafür, dass dieses selten gewordene Handwerk auch eine Zukunft hat.“ Der nächste Azubi beginnt im Sommer seine Ausbildung.  

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Büchsenmachermeister Stephan Engel in Neuruppin

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Richard Bär ist Azubi bei Waffen-Engel in Neuruppin

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Folgende Betriebe wurden besucht:

  • SECFIRE GmbH, Wittstock
  • Köhler Fenster- und Türenbau GmbH, Wittstock
  • Büchsenmachermeister Stephan Engel
  • Salon „chic und frech“ Uta Hagermann, Walsleben
  • Hören + Sehen Annett Schulz,Kyritz 
  • Autohaus Wernicke GmbH, Alt Ruppin
  • B+S Landtechnik GmbH, Kampehl
  • Bestattungen Grit Raue, Neustadt (Dosse)
  • ASH – Ausrüstungs- GmbH für Stall- und Hoftechnik, Neuruppin


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Auswertungsgespräch in der Kreishandwerkerschaft Ostprignitz-Ruppin