Das Handwerk in Westbrandenburg: Handwerkskammerpräsident Robert Wüst und Hauptgeschäftsführer Ralph Bührig schauen zurück und wagen einen Ausblick Presseinformation Nr. 90 vom 28. Dezember 2020
Westbrandenburg. Corona dominierte das Leben 2020, zwang das Handwerk bei voller Fahrt zur Vollbremsung. Auch das neue Jahr bleibt nicht weniger herausfordernd. Der Wunsch zur Rückkehr in die Normalität ist überall spürbar. Handwerkskammerpräsident Robert Wüst und Hauptgeschäftsführer Ralph Bührig ziehen Bilanz und wagen eine Vorausschau auf 2021 und die Herausforderungen, vor denen das westbrandenburgische Handwerk steht.
Umsatzrückgänge, Lockdown, Schließungen der Geschäfte, Lieferengpässe, fehlende Mitarbeiter: Die Herausforderungen, die das Corona-Jahr mit sich brachte, spüren alle Gewerke in Westbrandenburg gleichermaßen. Welches Fazit ziehen Sie für 2020?
Wüst: Angesichts der massiven Einschränkungen im Wirtschaftsleben stimmen die aktuellen Betriebszahlen im westbrandenburgischen Handwerk zum Jahresende tatsächlich optimistisch: Im Vergleich zum Vorjahr blieb die Zahl der in die Handwerksrolle der Handwerkskammer Potsdam eingetragenen Handwerksbetriebe mit 17.463 Betrieben konstant.
Der stärkste Landkreis ist Potsdam-Mittelmark mit 3.632 Betrieben, gefolgt von Oberhavel (3.303), Teltow-Fläming (2.754), Havelland (2.368), der Stadt Potsdam (1.842), Ostprignitz-Ruppin (1.533), Prignitz (1.196) und Brandenburg an der Havel (837).
Fürchtet das Handwerk pandemiebedingte Insolvenzen?
Bührig: Wir hoffen, dass unsere Betriebe mit den Unterstützungsangeboten von Bund und Land das Schlimmste abfedern und bald wieder richtig durchstarten können. Die Betriebszahlen zeigen, dass das Handwerk bislang trotz sich dramatisch veränderter Rahmenbedingungen glimpflich durch die Krise gekommen ist. Sie zeigen auch, dass im Handwerk bisher keine Arbeitsplätze verloren gingen, die Betriebe haben an ihren Mitarbeitern festgehalten. Das verdient größten Respekt! Auch die Zahl der Auszubildenden blieb konstant, wenngleich wir bei der Zahl der neu abgeschlossenen Ausbildungsverträge ein Minus verzeichnen. Wichtig ist, dass schnellstmöglich die angekündigten November- und Dezemberhilfen bei den Betrieben ankommen. Auch die neue Ausbildungsprämie aus dem Förderprogramm „Ausbildungsplätze sichern“ ist noch nicht da, wo sie hingehört.
Digitalisierung, Fachkräftesuche, Energiewende: Schlagworte, die auch das brandenburgische Handwerk betreffen. Werden alle drei gelingen?
Wüst: Fast jeder Betrieb sucht Fachkräfte. Daran hat auch die Pandemie nichts geändert. Steigen wird die Zahl der gesuchten Betriebsnachfolger. Deshalb war es wichtig, dass wir uns erfolgreich für die Erhöhung der Meistergründungsprämie auf 19.000 Euro eingesetzt haben. Für Gründer und Nachfolger im Handwerk ist diese Hilfe besonders wichtig. Aber auch wir als Kammer sind gefordert, beim Nachfolgeprozess zu unterstützen. Genauso wie in den Bereichen Digitalisierung oder Energiekostenoptimierung. Die Beratung der Betriebe zu Mitteln und Möglichkeiten bleibt auch in 2021 im Fokus. Beim Thema Digitalisierung kommt es für unsere Betriebe auch auf die Netzinfrastruktur an. Brandenburg muss beim Breitbandausbau schneller vorankommen. Hier werden wir bei der Politik weiter aufs Tempo drücken.
Der BER eröffnete endlich im vergangenen Jahr, TESLA siedelt sich in Ostbrandenburg an. Welchen Einfluss hat dies auf das westbrandenburgische Handwerk?
Bührig: Es ist Fluch und Segen zugleich. Der BER spülte schon in den vergangenen Jahren Aufträge in unsere Betriebe. Die Baumaßnahmen und Ansiedlungen rund um das Flughafenumfeld werden zu zusätzlichen Effekten führen. Das gilt auch für den Bau der TESLA Factory. Damit bieten sich viele Chancen auch für das Handwerk. Vielen Betrieben ist aber auch klar, dass sich Auswirkungen für den Wettbewerb um Fachkräfte ergeben werden. Unsere Hoffnung ruht dabei natürlich auch auf weiterem Fachkräftezuzug nach Brandenburg.
Was setzt man diesen Befürchtungen entgegen?
Wüst: In allererster Linie, dass wir Handwerker unseren Mitarbeitern die entsprechenden Rahmenbedingungen bieten, damit sie bleiben. Dabei geht es nicht nur ums Geld, sondern auch um Anerkennung, Flexibilität, Verantwortung und Vertrauen. Machen wir uns nichts vor: Wir stehen im Handwerk im harten Wettbewerb um jeden Mitarbeiter wie andere Branchen auch. Der Attraktivere und Bessere gewinnt. Mitarbeiter können sich aussuchen, wo sie arbeiten wollen. Deshalb braucht es ein Umdenken in den Köpfen - Mitarbeiter mit modernen Mitteln an sich zu binden, zu fördern und zu fordern. Das schließt auch die Ausbildung ein.
2021 wird ein neuer Bundestag gewählt. Welche Forderungen stellen die brandenburgischen Handwerker an die Politik?
Bührig: Dazu formulieren wir in den kommenden Wochen unsere Wahlprüfsteine und so es die Situation um Corona erlaubt, diskutieren und erörtern wir diese gemeinsam mit unseren Handwerksbetrieben und der Politik. Es gibt viele Themen, die unsere Betriebe unmittelbar betreffen, auch im Hinblick auf den Wandel in der Arbeitswelt. Das Thema Breitbandausbau bleibt ein Thema, Altersvorsorge für Selbstständige, Gleichstellung von Ausbildung, Studium und Weiterbildung, Bürokratieabbau… Die Parteien werden sich an mittelstandsfreundlicher Politik messen lassen müssen. Die politische Debatte wird auch im Licht der Coronamonate stehen. Nicht jeder Wirtschaftszweig wurde mitgenommen. Das haben auch wir Handwerker zu spüren bekommen.
Wo sehen Sie die wichtigsten Hilfen der Handwerkskammer Potsdam für Ihre Mitglieder?
Wüst: Meine Gespräche mit den Betrieben drehen sich die in großen Teilen immer wieder um die gleichen Fragen. Wie finde ich Nachwuchs für mein Unternehmen? Ich suche einen Nachfolger, da innerhalb der Familie keine Übergabe möglich ist. Wir wollen digitalisieren, aber wir haben kein Netz… Wie finde ich mich im Förderdschungel zurecht? Die Bürokratie frisst uns einfach auf…. Wir werden unsere Betriebsbesuche, so es Corona zulässt, auch 2021 fortsetzen, um den direkten Austausch weiter zu ermöglichen und mit den Betrieben im Gespräch zu bleiben. Das Weiterbildungsangebot in der Bildungsstätte in Götz wird genauso ausgebaut wie das Beratungsangebot in der Betriebs- und Rechtsberatung. Unsere Ausbildungsberater sind Ansprechpartner beim Thema Ausbildung. Neue Online-Formate, mit denen wir 2020 starteten, werden erweitert – genauso wie unser Beratungsangebot in den Kreishandwerkerschaften vor Ort. Ich wünsche mir, dass unsere Betriebe die zahlreichen kostenfreien Angebote der Handwerkskammer nutzen. Unsere Experten sind für die Mitglieder da.
Über die Handwerkskammer Potsdam
Die Handwerkskammer (HWK) Potsdam ist eine als Körperschaft des öffentlichen Rechts organisierte Selbstverwaltungseinrichtung für die Landkreise Havelland, Oberhavel, Ostprignitz-Ruppin, Potsdam-Mittelmark, Prignitz, Teltow-Fläming und die kreisfreien Städte Potsdam und Brandenburg an der Havel. Sie ist die Interessenvertretung von rund 17.400 Mitgliedsbetrieben und ihren mehr als 70.500 Beschäftigten in über 150 Gewerken.
Die HWK Potsdam setzt sich für die wirtschaftlichen und politischen Rahmenbedingungen der Handwerksbranche ein, bündelt die Kräfte und Gemeinsamkeiten des Handwerks und bietet ihren Mitgliedsbetrieben zahlreiche Unterstützungen bei wirtschaftlichen und rechtlichen Fragen. Zu den Mitgliedsunternehmen gehören Handwerksbetriebe aller Branchen; vor allem aus dem Bau- und Ausbaugewerbe, Elektro und Metall, Holz, Bekleidung und Textil, Gesundheit, Reinigung sowie Nahrungsmittel.
Die HWK Potsdam bietet in ihrem Zentrum für Gewerbeförderung in Götz umfangreiche Angebote für die Weiterbildung im westbrandenburgischen Handwerk und führt in den dortigen Lehrwerkstätten auch die überbetriebliche Lehrlingsunterweisung durch. Sie ist zuständig für Gesellen-, Meister- und Fortbildungsprüfungen im Handwerk.